Problemstellung:

 

Gesetzlich gelten die von den Mitgliedstaaten eingeführten Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung für alle Inverkehrbringer, die ihre Produkte dort vertreiben. Jeder Inverkehrbringer, ungeachtet des Ortes seiner Niederlassung, ist somit verpflichtet, sich einem nationalen Dualem-System anzuschließen oder einen Bevollmächtigten zu benennen, der diesen Schritt an seiner Stelle unternimmt (Art. 8a §5 der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG).

 

In der Praxis tragen Inverkehrbringer, die nicht im Hoheitsgebiet der Staaten, in denen sie ihre Produkte vertreiben, ansässig sind, nur selten zur Abfallentsorgung bei. Aufgrund der langwierigen Verfahren und der Kosten, die mit den Mechanismen der Verwaltungs- und Justizzusammenarbeit verbunden sind, werden sie kaum verfolgt und sanktioniert. Dieses Phänomen führt zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Die « Freerider » verschaffen sich Zugang zu Märkten, in denen sie sich den Ökobeitrag sparen, und erhöhen entsprechend die Belastungen ihrer sorgfältigen Konkurrenten, für die sich die Gesamtmasse des zu bewirtschaftenden Abfalls erhöht, ohne dass dies auf ihre Verkäufe zurückzuführen ist.

 

 

Lösungen:

 

Als Reaktion auf die Problematik der Freerider haben sich einige Staaten dafür entschieden, die Beitragspflicht der erweiterten Herstellerverantwortung auf die inländischen Vertreiber von Produkten aus anderen Staaten (ansässige Importeure, Wiederverkäufer, Installateure usw.) zu übertragen. Beispielsweise wird in dem französischen System der erweiterten Herstellerverantwortung für Bauprodukte und -materialien des Bausektors der Beitrag für ausländische Baumaterialien dem gewerblichen Bauherrn auferlegt (Art. R.543-290 des französischen Umweltgesetzbuches). Diese Lösung eignet sich jedoch nicht für Wertschöpfungsketten, bei denen der Verkauf ohne Einschaltung eines gewerblichen Zwischenhändlers erfolgt, z.B. wenn die Produkte vom Verbraucher direkt beim ausländischen Hersteller bestellt und von diesem an ihn versandt werden. Auf diesen Märkten tummeln sich die Freerider.

 

Obwohl es keine eindeutige Antwort auf das Problem gibt, baut der europäische Gesetzgeber das rechtliche Instrumentarium zur Bekämpfung von Freeridern weiter aus. Die neue Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (die am 24. April 2024 von dem Europäischen Parlament verabschiedet wurde) verpflichtet ausländische Händler, in jedem Mitgliedstaat, in dem sie ihre Produkte, bei denen Verpackungsabfälle anfallen können, vertreiben, einen nationalen Bevollmächtigten zu benennen (Artikel 40 Absatz 2 des Verordnungsentwurfs). Sie verpflichtet auch Fernhandelsplattformen, zu überprüfen, ob die Verkäufer, die sich an sie wenden, in allen Mitgliedstaaten, in denen ihre Produkte erhältlich sind, einen Bevollmächtigten benannt haben (Artikel 40 Absatz 3 des Verordnungsentwurfs). Schließlich verpflichtet der Entwurf die Mitgliedstaaten, ein Register zu erstellen, das in- und ausländische Marktteilnehmer erfasst, die zu nationalen Systemen der erweiterten Herstellerverantwortung beitragen, und sicherzustellen, dass dieses Register von den Verbrauchern leicht eingesehen werden kann, wodurch « verantwortungsbewusste Einkäufe » begünstigt werden.

 

Die Lösung des « obligatorischen Bevollmächtigten » hat sich bereits in der Abfallkette für elektrische und elektronische Altgeräte bewährt (Artikel 17 der Richtlinie 2012/19/EU) und sollte sich allgemein durchsetzen, wodurch ein neuer Beruf des Bevollmächtigten für erweiterte Herstellerverantwortung entstehen würde. Dasselbe gilt für die Rechenschaftspflicht von Fernhandelsplattformen oder auch für die Verbraucherinformation, die in Frankreich seit 2022 allgemein eingeführt wurde (Art. L.541-10-9 und L.541-10-13 des französischen Umweltgesetzbuchs). Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen hängt jedoch nach wie vor von der Durchführung von Kontrollen und der Verhängung von Sanktionen ab, und zwar sowohl durch Staaten als auch durch den Markt selbst in Form von Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs.